Das Handlungs- und Haltungskonzept der Neuen Autorität ist ein systemischer Ansatz, der Menschen mit Führungsverantwortung (Eltern, LehrerInnen, PädagogInnen, Führungskräfte, GemeindepolitikerInnen usw.) stärkt und ihnen eine Reihe von Möglichkeiten bietet, eine respektvolle Beziehungskultur aufzubauen und dafür zu sorgen, dass positive Entwicklungsprozesse in Gang kommen.
Sowohl in der Erziehung als auch im Führungsverhalten, erleben Eltern, LehrerInnen, Chefs/Vorgesetzte oder SozialpädagogInnen oft Unsicherheit in der Ausübung ihrer Rolle und Funktion. Es macht sich das Gefühl breit, keine adäquaten Mittel oder Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit schwierigem Verhalten von Kindern und Jugendlichen aber auch MitarbeiterInnen zur Verfügung zu haben. Nicht nur Eltern oder PädagogInnen, auch Führungskräfte in Einrichtungen und Unternehmen sind gefordert, eine neue Autorität zu entwickeln, Konflikte gemeinschaftlich zu lösen, sowie weg von Sanktionen, hin auf Wiedergutmachungsprozesse zu fokussieren.
Das Modell der Neuen Autorität von Prof. Haim Omer ist u. a. geprägt durch persönliche Präsenz (Selbstverankerung) und die wachsame Sorge (Ankerfunktion) der Erwachsenen. Dieser Rahmen ermöglicht einen positiven Entwicklungsprozess durch ein respektvolles und konstruktives Miteinander, das zur Erreichung der gewünschten Ziele beiträgt.
Menschen, die in der Neuen Autorität verankert sind, lassen sich nicht in Machtkämpfe hineinziehen, handeln deeskalierend und präventiv. Beharrlicher, gewaltloser Widerstand gegen problematisches Verhalten von Personen ersetzt Strafen, Moralpredigten und Vergeltungsmaßnahmen. So kann Entwicklung und Veränderung geschehen. Es kommt zu einer Verbesserung des Miteinanders, egal ob zu Hause in der Familie, in der Schule oder in Unternehmen. Also immer speziell dort, wo Erwachsene mit Führungsaufgaben und Verantwortung betraut sind. Das Prinzip der Zeitverzögerung - schmiede das Eisen wenn es kalt ist - und das Bedachtsein auf gute Beziehungen mit respektvollem Umgang untereinander stellen wesentliche Elemente dieses Konzeptes dar.
Als Erwachsener, als Führungskraft übernehme ich Verantwortung für die Beziehungsqualität. Ich bin präsent, gut in Kontakt mit mir selbst, respektvoll, wertschätzend und gewaltfrei anderen Personen gegenüber. Ich stehe für die Einhaltung unserer Werte und Regeln des Zusammenlebens ein. Die wachsame Sorge ermöglicht uns, aufmerksam und wachsam zu sein, um bei „Alarmsignalen“ (Unstimmigkeiten, Konflikten, inadäquatem Verhalten) notwendige Schritte einzuleiten, damit der Alltag wieder gut klappen kann.
Das wichtigste ist, uns klar zu werden, dass wir über eine andere Person keine Kontrolle haben können, nicht einmal über unsere Kinder. In Wahrheit ist dies auch nicht nötig! Wir sollen aber Kontrolle über uns, unsere Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen haben. Wir entscheiden, wann wir wie auf eine Provokation, einen Konflikt reagieren! Mind: Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist.
Wesentlich ist die Erkenntnis, dass wenn wir einen Konflikt gewinnen wollen und auf unser Recht pochen, wir dazu beitragen, dass die Situation eskaliert. Es geht nicht um Sieg sondern um Beharrlichkeit! Und eines ist noch wichtig: Wir alle machen auch Fehler und das ist in Ordnung. In den meisten Fällen können wir diese korrigieren und uns entschuldigen. Die Neue Autorität schätzt eine positive Fehlerkultur.
Auch wenn wir uns in der Erziehung, in der Leitung alleine fühlen, wir sind es nicht! Unterstützung nutzen und Netzwerke aufbauen ist ein zentraler Aspekt der Neuen Autorität. Und diese Unterstützungen gibt es! Menschen und Teams dabei zu begleiten, sich gegenseitig zu unterstützen und bei Bedarf auch weitere UnterstützerInnen einzubinden, führt unweigerlich zu einer großen Entlastung und Verbesserung der Lebenssituation.
Da wir über viel mehr Stärke verfügen als wir glauben, vor allem, wenn wir mehrere Personen sind, die gemeinsam entschlossen handeln, gelingt es beim gewaltlosen Widerstand, dass unser aller Entschlossenheit und Verbundenheit deutlich und sichtbar wird.
Bei schwierigem oder destruktivem, nicht mehr akzeptablem Verhalten sprechen wir nicht nur von Widerstand, wir SIND der Widerstand. Dieser gewaltlose Widerstand hat eine große Wirkung auf das Gegenüber. So zeigen z. B. Eltern bei einem Sit-In ihren Protest. Sie setzen sich auch bis zu zwei Stunden zu ihrem Kind ins Zimmer, um deutlich zu machen: „Wir können dein gewalttätiges/unangebrachtes Verhalten nicht mehr akzeptieren und wir sind jetzt hier bei dir, weil du uns wichtig bist und wir an einer Lösung/Veränderung interessiert sind“.
Jede Intervention der Neue Autorität baut auf Beziehung! Beziehungsgesten, wertschätzende Rückmeldungen und vor allem immer parallel bei Maßnahmen des Widerstandes, Gesten der Versöhnung zu setzen, sind wesentliche Aspekte. Damit signalisiert man: „Wir sind interessiert an DIR und an einer guten Beziehung, auch wenn es Schwierigkeiten gibt.“ Dieses Beziehungsangebot ist enorm wichtig, vor allem wenn das Kind, die/der SchülerIn, die/der MitarbeiterIn problematische Verhaltensweisen zeigt.
Transparentes Verhalten und Agieren ist ein weiterer wichtiger Punkt in der Neuen Autorität. Ob teilweise oder gänzliche Transparenz, sie kann vieles bewirken. Unterstützung wird mobilisiert, sie bewegt Dritte oder auch negativ gestimmte Personen/Gruppen, eine gewaltfreie Position einzunehmen und sich der „guten Sache“ anzuschließen. Transparenz steigert das Zusammengehörigkeitsgefühl! Voraussetzung ist jedoch, dass Haltungen und Handlungsweisen als ethisch-moralisch in Ordnung und als notwendig erachtet werden.
Wiedergutmachung statt Strafe! Die Erfahrung zeigt, dass Strafen und Sanktionen bei Konflikten aller Art kaum die gewünschten Lerneffekte erzielen und dass Menschen dadurch kein entwicklungsfördernder Prozess ermöglicht wird. Durch begleitete Wiedergutmachungsprozesse gelingt es bei den betreffenden Personen, die Einsicht in das begangene Unrecht zu ermöglichen und sie durch eine Handlung der Wiedergutmachung gleichsam zum konstruktiven Verhalten anzuregen.
Der Mensch, der Schaden angerichtet hat, kann aktiv einen Beitrag leisten und wird dadurch wieder ein vollwertiges Mitglied der Gruppe (z. B. der Klassengemeinschaft, der Abteilung, der Arbeitsgruppe, der Wohngruppe etc.). Darüber hinaus werden die Geschädigten tatsächlich ernst genommen. Erwachsene, die solche Wiedergutmachungsprozesse begleiten, werden dadurch an Respekt gewinnen, weil die Konfliktlösungskompetenz sichtbar wird.
(vgl. www.neueautoritaet.at)
Elisabeth Helpferer-Rinnerbauer, BA | Quilk 16 | 8943 Aigen im Ennstal
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